Die COVID-19-Pandemie entfaltet negative wirtschaftliche Auswirkungen auf viele Unternehmen, die Insolvenzen nach sich ziehen können. Dies stellt insbesondere die Geschäftsführer juristischer Personen, aber auch Vereinsvorstände vor besondere Herausforderungen, die grundsätzlich zur Stellung eines Insolvenzantrages bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet sind. Diese Pflicht ist straf- und haftungsbewehrt. Weitere Haftungsgefahren resultieren aus gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverboten bei eingetretener Insolvenzreife.
Schließlich besteht bei eingetretener Insolvenzreife das Risiko, dass Gläubiger und Vertragspartner des Schuldners erhaltene Leistungen und Zahlungen in einem späteren Insolvenzverfahren infolge einer Insolvenzanfechtungwieder herausgeben müssen. Das kann die Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen gefährden.
Zur Begrenzung dieser Folgen wurde kürzlich das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (CovInsAG) erlassen. Ziel dieser insolvenzrechtlichen Regelungen ist es, die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern, die infolge der COVID-19-Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Nach § 1 des COVInsAG ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nach § 15a InsO bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, es sei denn die Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der COVID-19- Pandemie oder es besteht keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit.
Zudem werden Anreize geschaffen, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen.
Zahlungsverbote
Ausgesetzt ist auch die Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen trotz bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, soweit solche Zahlungen der Aufrechterhaltung/Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen.
Kreditgewährungen während des Zeitraums der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die Besicherung von Krediten während dieses Zeitraums gelten nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung.
Die Rückzahlung von Darlehen, die im Aussetzungszeitraum der Gesellschaft gewährt wurden, gelten bis zum 30.09.2023 nicht als gläubigerbenachteiligend. Gleiches gilt für vergleichbare Rechtshandlungen, wie die Zahlung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch einen Gesellschafter oder die Besicherung von Krediten.
Anfechtungsbegrenzung
Die Anfechtbarkeit von Zahlungen im Dreimonatszeitraum vor Stellung des Insolvenzantrages ist ebenfalls ausgesetzt. Dies gilt auch, wenn der Zahlungsempfänger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt. Die Anfechtbarkeit bleibt allerdings bestehen, wenn der Gläubiger weiß, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auch nach der aktuellen Krise nicht behoben werden wird.
Handlungsempfehlung
Wie die meisten Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen und Unternehmern in der Coronakrise bergen auch die Regelungen im Insolvenzrecht einige Gefahren, auch strafrechtlicher Natur, in sich.
Voraussetzung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, der Zahlungsverbote, der Gläubigerbenachteiligung und der Anfechtungsmöglichkeit ist, dass die Insolvenz Folge der Coronakrise ist und dass die Insolvenz nach der Krise wieder behoben wird. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass eine dieser beiden Voraussetzungen nicht vorlag, leben die Strafbarkeit des verspäteten Insolvenzantrages (Insolvenzverschleppung), die Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen trotz Insolvenzreife und die Anfechtbarkeit solcher Zahlungen wieder auf.
Außerdem gibt es im Strafgesetzbuch noch weitere Insolvenzstraftaten, wie den Bankrott, die Verletzung von Buchführungspflichten oder die Gläubigerbegünstigung.
Besondere Gefahr der Aufdeckung solcher Insolvenzstraftaten besteht deshalb, weil jedes Insolvenzgericht verpflichtet ist, jede Insolvenzeröffnung und jede Ablehnung der Staatsanwaltschaft zu melden.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass bereits die fahrlässige Insolvenzverschleppung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann.
Zur Vermeidung haftungsrechtlicher und strafrechtlicher Risiken ist dringend zu raten, das Vorliegen der Gründe, warum trotz Zahlungsunfähigkeit kein Insolvenzantrag gestellt und der Geschäftsbetrieb weitergeführt wird, sorgfältig zu prüfen und zu hinterfragen. Diese Prüfung sollte auf jeden Fall auch dokumentiert werden, um sie in einem späteren Haftungsprozess oder Strafverfahren zur Entlastung des Geschäftsführers belegen zu können.